Nachbericht: Sprit, Essen, Wohnen – Wer soll das bezahlen?

Am vergangenen Samstag hielten wir anlässlich der explodierenden Sprit-, Gas- und Lebensmittelpreise eine Kundgebung ab. Trotz kurzfristiger Planung erreichten wir circa 50 Personen. Uns als Klimatreffen war dieses Thema besonders wichtig, weil daran sichtbar wird, wie „klimapolitische“ Maßnahmen soziale Ungerechtigkeiten verschärfen – allen voran die CO2-Steuer. Denn die Steuer sowie die künstlich von Raffinerien hoch gehaltenen Preise haben gemeinsam: Bei einer CO2-Steuer würde der Spritpreis genauso ansteigen – mit dem Ziel, dass weniger Menschen Auto fahren. Dabei muss man sich allerdings auch Nicht-Autofahren leisten können. Wenn man nämlich wie in Tübingen aufgrund absurd hoher Mietpreise gezwungen wird ins Umland zu ziehen, dann bleibt oftmals gar keine andere Möglichkeit als auf das Auto zurückzugreifen. Solange also der ÖPNV teuer und schlecht ausgebaut ist, werden diese Preissteigerungen, egal ob gut gemeint oder nicht, unseren eh schon immer kleiner werdenden Geldbeutel weiter belasten.

Ein Tankrabatt à la Lindner stabilisiert nun nur den Status Quo. Was es aber bräuchte, sind Maßnahmen, die mehr als Symptombekämpfung sind, sondern sicherstellen, dass sich alle Menschen langfristig Mobilität, Essen und Wohnen leisten können. Über den Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und Klimawende sprach auch ein Vertreter von Verdi in seiner Rede. Alle zusammen riefen wir: Ihr Krise nicht auf unserem Rücken!

unsere Rede:

57 Prozent mehr Heizölkosten und Kraftstoffpreise, die um 27 Prozent steigen. Erdgas, für das im Schnitt im Jahr 300 Euro mehr ausgegeben werden muss. Das sind nur einige Beispiele der Kostenexplosion – und diese auch nur aus dem vergangenen Jahr. Wir alle merken nicht erst seit 3 Wochen: Alles wird teurer. Dazu kommt noch: Der Krieg in der Ukraine führt zu massiven Preisanstiegen bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Sonnenblumenöl. Was schon hier in Deutschland zum Problem wird, hat in Ländern des globalen Südens tödliche Folgen: In Nordafrika waren schon vor Kriegsausbruch über 13 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, da nach mehreren Dürreperioden die Ernte ausfiel. Zudem sind zum Beispiel Kenia, Somalia und Äthiopien von ukrainischen und russischen Lebensmitteln abhängig. Wegen des Kriegs steigen also nun auch dort die Preise für Essen. Der Krieg hier wird also im globalen Süden zu Hungersnöten führen.

Währenddessen propagieren viele Politiker*innen in Deutschland Tankrabatte und Kartellbeobachtungen als vermeintliche Lösungen, die nach zwei Jahren Pandemie und damit verbundener Wirtschaftskrise wie ein schlechter Witz wirken. Natürlich braucht es gerade schnelle und unbürokratische Hilfen und Lösungen. Doch Einmalzahlungen und das Prüfen auf vermeintliche Kartelle sind maximal Symptombekämpfung in einem System, das auf Profitmaximierung ausgelegt ist.

Für uns macht es einen Unterschied, ob die Nudeln von Aldi 40 oder 70 Cent kosten. Und nun sollen wir die Kosten für die Krise zahlen. Aber nicht alle leiden unter der Coronakrise, dem Ukrainekrieg oder der Klimaerhitzung: Die am oberen Ende der Nahrungskette – zum Beispiel die Waffenlieferanten und Ölkonzerne – heimsen gerade mächtig Geld ein.

Aber zurück zum Spritpreis. Warum liegt der aktuell eigentlich gut über 2 Euro? An der Börse wurde wegen dem Krieg in der Ukraine eine Ölknappheit erwartet, die zu einem Preisanstieg geführt hat. Diese Ölknappheit gibt es aber bislang gar nicht. Und trotzdem schießen die Preise in die Höhe.

Wie kann das sein? Diese Preiserhöhung kommt nicht etwa von einer Ressourcenknappheit, sondern ist das Ergebnis von Mineralölkonzernen, die die Preise künstlich hoch halten. Getarnt von der Behauptung, die hohen Preise würden am Krieg liegen, vergrößern sie ihre Gewinne – auf unsere Kosten! Ob die Regierung nun einen Tankrabatt oder ein Energiegeld einführt – bezahlen werden es am Ende wir, die Steuerzahler*innen. Das heißt, anstatt den Konzernen einen Riegel vorzuschieben, werden wir in zweifacher Form verarscht. Außerdem werden dabei nur die Symptome bekämpft und nicht verhindert, dass derartige Preisexplosionen auch in Zukunft passieren können und werden.

Der plötzliche Preisanstieg von Diesel und Benzin zeigt übrigens auch, warum eine CO2-Steuer, die oft als Allheilmittel der Klimapolitik gehandelt wird, so sozial ungerecht ist. Bei einer CO2-Steuer würde der Spritpreis nämlich genauso ansteigen – mit dem Ziel, dass weniger Menschen Auto fahren. Dabei muss man sich allerdings auch Nicht-Autofahren leisten können. Wenn man nämlich wie in Tübingen aufgrund absurd hoher Mietpreise gezwungen wird ins Umland zu ziehen, dann bleibt oftmals gar keine andere Möglichkeit als auf das Auto zurückzugreifen. Solange also der ÖPNV teuer und schlecht ausgebaut ist, werden diese Preissteigerungen, egal ob gut gemeint oder nicht, unseren eh schon immer kleiner werdenden Geldbeutel weiter belasten. Unsere Reallöhne, also das, was wir uns am Ende des Tages von unserem Geld kaufen können, sinken nämlich aufgrund hoher Inflation seit über 20 Jahren! Wir können uns also für gleiche Arbeit immer weniger leisten. Wir sagen: es reicht!

Was wir brauchen, ist eine Stadtplanung für Menschen, statt für Autos. Ein gutes ÖPNV-Angebot. Für alle zugänglich, ob auf dem Land oder in der Stadt. Und das kostenlos. Erst dann wird das Autostehenlassen zu einer sozialen und klimafreundlichen Lösung der momentanen Krisen. Das würde den Staat pro Jahr zwar 15 Milliarden Euro kosten, Lindners Tankrabatt ist aber für nur drei Monate angesetzt und würde uns auch 6 Milliarden Euro kosten. Außerdem wissen wir spätestens seitdem die Bundeswehr über Nacht und ohne Diskussion 100 Mrd Euro Zuschuss vom Bund bekommen hat, dass das alles nur Ausreden sind. Wir lassen uns nicht verarschen!

Schaut man genauer hin, fällt auch auf, dass diese Ausreden gar nicht so überraschend sind. Sind unsere Regierungen doch abhängig von der in Deutschland ansässigen Autoindustrie. Diese baut darauf, dass die meisten Menschen sich dazu gezwungen sehen, mindestens ein Auto zu besitzen. Demnach ist klar, warum Geld für eine Abwrackprämie da ist, aber nicht für eine ordentliche Zugverbindung zwischen Tübingen und Stuttgart.

Was viele von uns aber vermutlich noch mehr belastet als der hohe Spritpreis, sind die hohen Heizkosten. Denn die Hälfte aller Haushalte heizt aktuell mit Gas. Klar könnte man jetzt sagen: Selber schuld, Klimaschutz Klimaschutz Klimaschutz! Aber die meisten Mieter*innen können nicht entscheiden, welche Heizung ihnen der Vermieter vorsetzt. Und die meisten Vermieter*innen wollen für einen Heizungsaustausch und für eine Sanierung – also zum Beispiel für eine bessere Dämmung – kein Geld in die Hand nehmen. Und tun sie es doch, wird die Miete nur noch höher. Ein hoher Gaspreis, ob durch Krieg oder eine CO2-Steuer trifft also wieder die, die keine andere Wahl haben als draufzuzahlen.

Was also tun? Uns, vom Tübinger offenen antikapitalistischen Klimatreffen, ist klar, dass Symptombekämpfung allein nicht reicht. Für eine langfristige Lösung müssen wir unsere Grundbedürfnisse unabhängig machen von Spekulationen und Interessen einiger Weniger. Es wird Zeit, dass wir alle gemeinsam entscheiden, was produziert wird und wie viel. Dass wir alle gemeinsam entscheiden, wie klimafreundlicher und sozialer Verkehr auszusehen hat und bestmöglich unseren Bedürfnissen entspricht. Dass wir alle gemeinsam sicherstellen, dass sich alle Menschen Wohnen, Essen und Leben leisten können. Und das auch langfristig, deshalb müssen alle Weichen immer auch auf Klimaschutz gestellt sein. Damit das möglich wird, müssen die verantwortlichen Konzerne – egal, ob Öl- oder Auto- – in die öffentliche Hand. Dafür kämpfen wir, schließt euch uns an, kommt ins Offene Klimatreffen, sprecht mit euren Kolleg*innen, eurer Verwandtschaft und euren Freund*innen!

Für uns gilt: Ihre Krise nicht auf unserm Rücken!