Redebeitrag am Antikriegstag in Tübingen

Am 1. September, dem Antikriegstag, waren wir gemeinsam auf der Straße. Denn für uns ist klar: Weder Putin noch NATO! Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten. Zusammen mit der VVN BdA, dem Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus in Tübingen und der Region (OTFR), der Kommunistischen Organisation (KO), der Informationsstelle Militarisierung (IMI) und weiteren Gruppen zu einer Kundgebung aufgerufen, an der sich ca. 150 Menschen beteiligten. Gemeinsam haben wir ein klares Zeichen gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen, für Frieden und internationale Solidarität gesetzt.

Neben aktuellen Informationen und allgemeinen Einschätzungen zum Charakter des Kriegs in der Ukraine gab es eine Schweigeminute für alle Menschen, die in diesem Krieg schon ihr Leben lassen mussten. Außerdem gab es Redebeiträge u.a. von der VVN BdA, der KO, dem DGB, der IMI und dem OTFR gegen Sozialabbau und Kriegswirtschaft, zur Solidarität mit den Kommunist:innen in der Ukraine und Russland, zur aktuellen Situation im Niger und zur antifaschistischen Perspektive. Auch wir haben uns mit einem Redebeitrag zum Zusammenhang von Krieg, Klimawandel und Umweltzerstörung beteiligt, den wir im Folgenden mit euch teilen möchten:

Liebe Antimilitarist*innen,
Ich spreche heute für das TOAKT – das Offene Antikapitalistische Klimatreffen in Tübingen.

Als Klimatreffen interessiert uns auch das Thema Krieg, denn Krieg und Klimakrise hängen zusammen. Seit mehr als eineinhalb Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Während Russland versucht, seinen wirtschaftlichen und geostrategischen Einfluss in der Ukraine zu erweitern, heizen Politiker*innen der Nato-Mitgliedstaaten den
Konflikt durch immer mehr und größere Waffenlieferungen weiter an.
Schlussendlich leidet die Bevölkerung aller beteiligten Staaten, während sich die globale Rüstungsindustrie über satte Profite freut. Wir als Klimatreffen stellen uns dem Krieg und der Aufrüstung auch aus der Klimaperspektive entgegen.

Denn Militär- und Rüstungsindustrie sind Klimakiller: Sie verursachen
zusammengenommen 6% der globalen Emissionen. Wäre die Militär- und Rüstungsindustrie also ein Land, würde sie den viertgrößten CO2-Ausstoß weltweit verursachen.

In Deutschland sind es Konzerne wie Rheinmetall und Heckler und Koch, die durch CO2-intensive Produktion und Transport von Waffen das Klima zerstören. Zusätzlich vereinnahmen sie Ressourcen, die durch ihre endliche Natur zu militärischen Auseinandersetzungen führen. Somit werden sie im Kapitalismus, bei dem nur der Profit zählt, sogar für ihre klimaschädliche Geschäftspraxis belohnt.
Handlungsbedarf sieht die Regierung hier aber nicht: Das Klimapaket der Bundesregierung erwähnt die Bundeswehr mit keinem Wort, obwohl sie geschätzt 60 Prozent der CO2-Emissionen von Bundes-Institutionen ausmacht. Auch müssen Zahlen zu militärisch verursachten CO2-Emissionen nicht einmal erfasst werden.

Doch der Konflikt sorgt auch anderweitig für katastrophalen CO2-Ausstoß. Um sich von russischem Gas unabhängig zu machen, fördert die deutsche Regierung wieder mehr fossile Energieträger. Dafür werden neue Flüssiggasterminals gebaut, um auch ohne russische Pipelines an Erdgas zu kommen. Dabei wird nun allerdings nur ein
reaktionärer Gaslieferant durch viele andere ausgetauscht, wie Katar, Aserbaidschan und die USA, die zum Beispiel als Teil des Willow-Project Ölpipelines durch Gebiete indigener Völker bauen lassen will. Auch deutsche Unternehmen profitieren von der Gasknappheit: So wurde unter dem Vorwand der Energiesicherheit Lützerath für die
Kapitalinteressen von RWE abgebaggert. Auch beim Wiederaufbau von Städten nach Kriegen wird weiter emittiert: Die Herstellung der massenhaft benötigten Baumaterialien wie beispielsweise Beton ist
sehr emissionsreich.

Natürlich zerstört Krieg die Umwelt und das Klima auch als direkte Folge von Kämpfen. In der Ukraine sind nicht nur hunderttausende Menschen getötet, verletzt und aus ihrer Heimat vertrieben worden, auch die Umwelt vor Ort leidet. 20 Prozent der Naturschutzgebiete in der Ukraine sind von den Kampfhandlungen betroffen. Es wurden 280.000 Hektar Wald zerstört. Auch die jüngsten Entwicklungen bei
Waffenlieferungen in die Ukraine deuten langfristige Schäden an. Nicht nur plant die Bundesregierung die Lieferung von über 100 Leopard-2-Panzern, sondern auch von international geächteter Streumunition, wo im Vergleich zu herkömmlicher Munition noch viel schwieriger zu kontrollieren ist, was getroffen wird.

Überall auf der Welt vernichten Kriege die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort, oft noch Jahre und Jahrzehnte nach Beendigung. Bei den türkischen Angriffen im Irak und in Syrien verseucht Öl aus natürlichen Quellen und Raffinerien Boden und Wasser; Im zweiten Golfkrieg 1991 verbrannten über 700 Mio. Liter Öl pro Tag und der Einsatz des Entlaubungsmittels Agent Orange durch die USA im Vietnamkrieg sorgt bis heute für Schäden bei Mensch und Umwelt.

Klar ist also: Kriege und Aufrüstung sind eine Katastrophe für Mensch, Umwelt und Klima. Gleichzeitig wirkt umgekehrt auch die Klimakrise als Brandbeschleuniger für kommende Konflikte und Kriege. Wir befinden uns in einem Teufelskreis: Krieg führt zu Umweltzerstörung und befeuert die Klimakrise, Umweltzerstörung und Klimakrise führen zu erneutem Krieg. Klimaschutz ist also auch Kriegsprävention,
und Kriegsprävention ist Klimaschutz.

Die Regierungen der Welt ziehen daraus die falsche Konsequenz: Sie erkennen die militärische Gefahr der Klimakrise und entwickeln statt tatsächlichen Lösungen bereits militärische Strategien für deren Bewältigung.
Diese letztendlich menschenverachtende Politik schützt nichts anderes als die Profitinteressen CO2-intensiver Industrien. Das verwundert nicht, denn Krieg und Klimakrise haben die gleiche Ursache: Kapitalismus. Hinter der umweltzerstörerischen Kriegsführung stecken kapitalistische Machtinteressen und Profitgier der Rüstungsindustrie: Waffen können verkauft werden, der Wiederaufbau sorgt für neue Einnahmen der Baubranche. Der Konkurrenzkampf im Kapitalismus
bringt imperialistische Staaten dazu, Wirtschaftsinteressen – wie neue Absatzmärkte und billige Rohstoffe – notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Gewinne steigen immer weiter, während die breite Masse im Krieg und an den Kriegsfolgen leidet und verstirbt. Es kann im Kapitalismus weder Frieden, noch Klimagerechtigkeit geben!

Klar ist: mit der momentan von allen Seiten geforderten Aufrüstung wird die Klimakrise weiter angeheizt, aber aus Sicht der Kapitalist*innen lohnt sich Krieg mehr als Klimaschutz: Rüstungsunternehmen profitieren, Umweltzerstörung wird zur Waffe und die Folgen der Klimakrise trägt die Arbeiter*innenklasse weltweit
ebenso, wie sie die Folgen der Kriege tragen muss.
Für uns ist klar: Klimaschutz statt Aufrüstung und Waffenlieferungen!
Hoch die internationale Solidarität!